Natürliche Beruhigungsmittel für das Pferd

Angst ist eine ganz natürliche Emotion - besonders für ein Flucht- und Beutetier wie das Pferd.  Wenn Angst und Stress aber Überhand nehmen bzw. zu einem Dauerzustand werden, müssen wir Menschen etwas tun. Denn dann steigt nicht nur das Unfallrisiko, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für schwere Folgeerkrankungen.  Da viele Menschen aber ungern chemische Beruhigungsmittel verwenden und lieber zu natürlichen Quellen zur Beruhigung greifen, haben wir hier ein paar Ideen gesammelt. Lassen Sie sich jedoch bitte immer von einem für Pferde kompetenten Tierarzt beraten und bleiben Sie stets aufmerksam. Die veterinärmedizinische Fachmeinung und Beurteilung können und wollen wir nicht ersetzen!

Ursachen für Stress und Angst beim Pferd

Angst beschützt das Leben eines Fluchttieres. Wir Menschen sollten also dafür Verständnis aufbringen und versuchen, dem Pferd Sicherheit zu vermitteln. Und Stress ist eine Folge der Angst: der Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt, der Adrenalinspiegel steigt, Cortisol wird ausgeschüttet. So kann das Pferd blitzschnell flüchten und sein Leben vor der Bedrohung in Sicherheit bringen. Insofern ist auch Stress natürlich. Allerdings bauen Wildpferde diesen Stress auch sofort wieder durch Bewegung ab. Dies ist domestizierten Pferden nicht immer möglich. So kann es zu chronischem Stress kommen, welcher den Körper nach und nach in Mitleidenschaft zieht. Und es beginnt ein Teufelskreis: denn Schmerzen verursachen auch wieder Stress.
(siehe Simonds, Mary Ann: "Stress bei Pferden erkennen und behandeln", Kosmos, Januar 2007)

Besonders anfällig für Stress sind die Pferderassen, die immer unter Strom stehen (hier wurde zu sehr auf Exterieur und zu wenig auf Interieur gezüchtet) und alle Pferdecharaktere, die entweder besonders reizbar sind, oder besonders ängstlich.

Aber auch falsche Fütterung und Haltung erzeugen Stress. Das Problem ist also immer ganzheitlich zu sehen und auch ganzheitlich zu behandeln. So muss eine artgerechte Fütterung mit einem hohen Rohfaseranteil (Heu) und möglichst ohne nennenswerte Fresspausen ebenso Grundlage der Behandlung sein, wie eine Haltung, die dem Pferd freie Bewegung in einer harmonischen Herde ermöglicht. Hohe Fluktuation in "Herden" sollte ebenso gemieden werden wie auch die Integration nicht vernünftig sozialisierter Pferde in die Herde.

Situationen, in denen Pferde Beruhigung brauchen

Das menschliche Umfeld ist einfach nichts für Pferde. Es benötigt Jahre bis sich Pferde an all die vom Menschen verursachten Geräusche, Gerüche, Routinen und Handlungen gewöhnt haben. Allein in dieser ersten Kennenlernphase entsteht Stress. Es beginnt bereits bei der künstlichen Trennung von Stute und Fohlen. Weiter geht es mit der Trennung des Jungpferdes von seiner Jungpferdeherde und oftmals dem damit einhergehenden Umstallen. Dann kommen Sattel, Trense, Longe, Reiter, Reithalle oder Reitplatz. Selbst sehr sanft und natürlich ausgebildete Jungpferde stehen oft unter Stress. Diese erste Zeit kann also auf jeden Fall mit natürlichen Beruhigungsmitteln begleitet werden. Das macht die Zeit für das Jungpferd leichter, es lernt besser und die Wahrscheinlichkeit von gesundheitlichen Auswirkungen sinkt (bei gleichzeitiger artgerechter Fütterung und Haltung).

Aber auch ältere Pferde haben Mühe sich entspannt mit Silvesterknallern, Tierärzten, Hufschmieden, Pferdeanhängern, Turnieren usw auseinander zu setzen. Ebenso ist es meist hilfreich, eine Verhaltenstherapie oder ein Training mit natürliche Beruhigungsmittel zu begleiten. Was genau Sie zur Beruhigung tun können, haben wir Ihnen unten zusammen gefasst.

Kräuter als natürliches Beruhigungsmittel für Pferde

Im Gegensatz zu synthetischen Beruhigungsmitteln haben Pflanzenstoffe die Eigenschaft, das Pferd nicht zu sedieren. Es werden also weder die Körperfunktionen, das Gleichgewicht noch die Sinne beeinträchtigt, wenn Pferden zur Beruhigung Kräuter gefüttert werden. Allerdings sollte man auch wissen, dass manche Kräuter nicht sofort beruhigend wirken wie zum Beispiel Baldrian. Dieser benötigt mindestens 2 Wochen, um sein volles Potential entfalten zu können. Dies sollte man bedenken, wenn Termine bevorstehen, die planbar sind wie zum Beispiel Silvester, der Schmiedbesuch oder Ähnliches. Kamille, Melisse, Lavendel und Hopfen wirken zwar nicht so stark wie Baldrian aber schneller.

Weiterhin ist es wichtig, zu wissen, dass Baldrian auch paradox, also gegenteilig wirken kann, wenn er zu niedrig oder zu hoch dosiert wird (vgl. Bühring. 3. Auflage, S. 543). Dies kann gerade in der Anfangsphase der Fütterung zum Tragen kommen, wenn man das Pferd langsam an den sehr ungewohnten Geruch und Geschmack gewöhnen will.

Da alle Mittel, die dem Zweck der Beruhigung dienen, unter Doping fallen, sind auch pflanzliche Beruhigungsmittel immer etwa 1 Woche vor dem Turnier abzusetzen.

Beruhigende Kräuter für Pferde:

  • Hopfen
  • Baldrian
  • Lavendel
  • Melisse
  • Passionsblume

Mit diesen sanften Beruhigungsmitteln aus der Natur können die Tiere wieder herunterkommen und ihre eigene Ruhe zurückgewinnen, die Angst überwinden und sich an Beängstigendes (z.B. Scheren) gewöhnen. Hopfen, Lavendel und Melisse werden hier gerne verwendet und sind allesamt für ihre beruhigenden Eigenschaften bekannt (vgl. Schönfelder/ Schönfelder 2016, S. 318, S. 290 und S. 126). Jedoch sollte man generell nicht nach eigenem Ermessen Kräuter mischen und verwenden, weil die Zusammensetzung der Kräuter und ihrer Wirkstoffe ein komplexes Thema ist. Dazu ist es nötig einen Experten zu Rate zu ziehen oder fertige, genau abgestimmte Mischungen zu verwenden.

Aromatherapie zur Beruhigung: ätherische Öle

Wenn ein Pferd noch mehr Beruhigung benötigt als durch die Fütterung von Kräutern möglich ist, können Sie zusätzlich zum Beispiel mit ätherischen Ölen arbeiten. Diese gehen als Duft direkt und ohne Kontrolle ins Gehirn und können manchmal erstaunliche Dienste leisten. Ätherische Öle können Sie zum Beispiel auf einen Stofffetzen geben und in den Stall hängen oder auch einen Tropfen auf die Herzgegend des Pferdes geben. Wichtig ist dabei aber immer, vorher zu testen, ob das Pferd diesen Duft überhaupt haben möchte. Hierzu halten Sie Ihrem Pferd einfach das Ölfläschchen unter die Nüstern: Wenn es sich abwendet, mag es den Duft nicht und Sie sollten diesen nicht verwenden. Wenn das Pferd hingegen versucht "abzubeißen", dann ist es genau der Richtige.

Folgende ätherische Öle kommen zur Verwendung in Frage:

  • Jasmin
  • Kamille (römisch)
  • Lavendel
  • Majoran
  • Mandarine
  • Melisse
  • Vetiver Baldrian
  • Ylang Ylang

Wie genau die einzelnen Öle wirken, können Sie zum Beispiel hier nachlesen: Zimmermann, Eliane: Aromatherapie. Die Heilkraft ätherischer Pflanzenöle. München: Irisiana Verlag.

Homöopathie und Bachblüten zur Beruhigung

Man kann neben Kräutern auch zu homöopathischen Mitteln greifen. Denn hier arbeitet man ebenfalls mit Stoffen, die sich als Beruhigungsmittel für Pferde eignen. Erfahrungsgemäß nehmen viele Pferde Homöopathisches in Form von Globuli gut an. Bei homöopathischen Behandlungen sieht man sich das Tier als Ganzes genau an, um sein Grundproblem, die so genannte „Causa“ zu ermitteln. Hierzu sollten Sie sich unbedingt einen Experten suchen, der sich mit Homöopathie für Pferde gut auskennt, da das Thema sehr komplex ist und es keine Pauschallösungen gibt.

Daneben sind Bachblüten zur Beruhigung von Pferden auch eine gute Idee. Bachblüten gibt es für diverse seelische Beschwerden und Seelenzustände, die passend zum Pferd gewählt werden.

Bachblüten bei Angst & Stress:

  • Aspen (allgemeine, unbestimmste Ängste; Zittern wie Espenlaub)
  • Mimulus (ganz bestimmte, spezifische Ängste)
  • Rock Rose (Panik)
  • Notfall oder Rescue Mischung
  • Star of Bethlehem (wenn es sich um ein altes Trauma handelt)

 

Verhaltenstraining

Manchmal sind Angst und Stress auch erlerntes Verhalten, basieren auf einem Trauma oder haben einfach Ausmaße angenommen, die weder für das Pferd noch für den Menschen tragbar sind. Dann sollten Sie sich unbedingt an einen Experten in Sachen Pferdeverhalten wenden, der das Problem analysieren und Wege hinaus für Sie suchen kann. Natürlich ist das nicht immer ganz einfach und sicherlich auch nicht günstig, aber in der Regel lohnt es sich. Denn Experten für Pferdeverhalten haben einfach eine andere Sicht auf Pferde und Menschen und viel Erfahrung mit solchen Fällen. Riskieren Sie also nichts, sondern lassen Sie sich lieber helfen, wenn Sie es allein nicht mehr in den Griff bekommen.

 

 

Quellen & weiterführende Literatur

  • Aichberger, Leopold; Bizaj, Martina; Fritsch, Florian; Gansinger, Doris; Hagmüller, Werner; Hanh, Isabella; Hozzank, Alexandra; Kolar, Veronika; Stöger, Elisabeth (2006): Kräuter für Nutz- und Heimtioere. Ratgeber für die Anwendung ausgewählter Heil- und Gewürzpflanzen. Eigenverlag
  • Brendieck-Worm, Cäcilia; Klarer, Franziska; Stöger, Elisabeth (2015): Heilende Kräuter für Tiere. Pflanzliche Hausmittel für Heim- und Nutztiere. Bern: Haupt Verlag.
  • Bühring, Ursel (2011): Praxis Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Grundlagen-Anwendung-Therapie. 3. unveränderte Auflage. Stuttgart: Haug Verlag.
  • Fritz, Kristina (2012): Pferde fit füttern. München: Cadmos Verlag.
  • Krüger, Christiane P (2010): Praxisleitfaden Tierhomöopathie. Vom Arzneimittelbild zum Leitsymptom. 2. überarbeitete und erweiterte Fassung. Stuttgart: Sonntag Verlag.
  • Marx-Holena, Hilke (2003): Homöopathie für Pferde. 2., durchgesehene Auflage. München: BLV Verlagsgesellschaft.
  • Frater-Schröder, Marijke; Fitzi-Rathgen, Julika; Gachnian-Mirtscheva, Rosa; Reichling, Jürgen; Saller, Reinhard (2016): Heilpflanzenkunde für die Veterinärpraxis. 3 überarbeitete und ergänzte Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer Verlag.
  • Schmidt, Romo (2015): Pferde artgerecht halten. Stuttgart: Müller Rüschlikon.
  • Schönfelder, Ingrid und Schönfelder, Peter (2015): Der Kosmos Heilpflanzenführer. Über 600 Heil- und Giftpflanzen Europas. Stuttgart: Franckh-Kosmos Verlag.
  • Simonds, Mary Ann; Meyer, Dorothe (2007): Stress bei Pferden erkennen und behandeln. Stuttgart: Kosmos.
  • Zimmermann, Eliane (2014): Aromatherapie. Die Heilkraft ätherischer Pflanzenöle. München: Irisiana Verlag.

Haftungsausschluss

Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit und repräsentiert nur die der Autoren zum Zeitpunkt des Verfassens bekannten Methoden, Vermutungen und Fakten, und entbindet den Tierhalter weder von seiner Verantwortung seinem Tier gegenüber noch von seiner Pflicht, bei einem Veterinärmediziner vorstellig zu werden und sich eine Fachmeinung einzuholen. Wir übernehmen keinerlei Haftung.

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